
Ich bin ganz ehrlich mit euch, ich habe Ängste. Damit mein ich jetzt nicht sowas nachvollziehbares wie Höhenangst (die hab ich witzigerweise gar nicht), sondern teilweise irrationale Ängste wie vor vielen Menschen zu sprechen (Stichwort Referat) oder die Angst vor dem Autofahren. Die/der ein oder andere wird jetzt vielleicht hier sitzen und die Stirn runzeln “Häää .. aber die ist doch Psychologin?!” Ja eh. Aber auch Diätologen können übergewichtig sein und selbst ein Kardiologe kann einen Herzinfarkt erleiden. Nur weil wir das Wissen haben, heißt das noch lange nicht, dass wir es für uns umsetzen können. Außerdem finde ich es ja auch tröstlich, wenn jemand wirklich Ahnung hat wovon er spricht. Glaubt mir, ich weiß wie es ist sich halb in die Hose zu machen und schwitzige Hände zu haben. Das Herz schlägt so laut, dass man sich ganz sicher ist, dass es ALLE im Raum hören. In meiner Studienzeit musste ich sogar Medikamente vor meinen Vorträgen an der Uni einnehmen. Ist das nicht skurril?! Die angehende Psychologin, die ihre Angst nicht im Griff hat. Warum ich euch das erzähle? Ich möchte Ängste normalisieren und aufzeigen, dass ihr nicht alleine seid. JEDER hat vor etwas Angst und das ist kein Grund sich zu schämen. Während die einen keinen Blick aus dem Fenster des 3. Stocks werfen können, sitze ich an den steilsten Klippen und freu mich über die Aussicht. Dafür steigt der eine ganz normal ins Auto und fährt von A nach B während ich schon Herzrasen bekomme wenn ich nur an das Starten des Motors denke. Ich weiß woher die Angst kommt, aber das macht es leider nicht besser. Ich weiß allerdings was wirklich hilft und für die Antwort musst du jetzt ganz stark sein. Bist du bereit? Übung. Jaaaaaaahaaa ich weiß. Ätzend. Der wahre Umgang mit Angst gelingt nur dadurch, dass du dich der angstauslösenden Situation immer wieder stellst und sie bewältigst. Dabei gibt es in der Psychologie mehrere Methoden. Bildlich gesprochen kannst du zum Beispiel einfach ins Wasser springen und dann schwimmen, oder du gehst langsam ins Wasser und gewöhnst dich daran. Mir gefällt die zweite Variante besser und diese Vorgangsweise möchte ich dir nachfolgend anhand meines eigenen Beispiels erklären.
Ich nehme das Beispiel meiner Angst vor dem Autofahren weil ich gerade aktiv daran arbeite und mitten im Prozess bin. Kurze Vorgeschichte: ich konnte nie so wirklich üben. Da ich in der Innenstadt aufgewachsen bin, ging ich alles zu Fuß oder fuhr mit dem Fahrrad. Meine Mama borgte mir ihr Auto als Führerscheinfrischling zunächst auch nur sehr ungern und so verging viel Zeit in der ich nie wirklich am Steuer saß. Mehr als 10 Jahre vergingen in denen ich meine Autofahrten an zwei Händen abzählen konnte. Dann lernte ich 2020 meinen Freund kennen. Er hatte sich ein paar Monate zuvor ein Auto gekauft und drückte mir eines Tages den Autoschlüssel in die Hand und fragte mich, ob ich fahren wolle. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich ihn fast ausgelacht und gesagt “Ich fahre nicht Auto. Ich bin auch schon über ein Jahr nicht mehr gefahren.” Das hat ihn leider nur noch mehr motiviert mich auf den Fahrersitz zu bekommen. (Ich sag ja immer, dass an Niki ein Verhaltenstherapeut verloren gegangen ist.) Und so setzte ich mich in dieses Raumschiff (jedes Auto das kein Smart ist, ist für mich überdimensional groß) und fuhr los. Ja und was soll ich sagen – ich fuhr daraufhin immer öfter. Teilweise ertappte ich mich sogar dabei, dass es Spaß machte – aber pssscht. Nach wie vor rast mein Herz bevor ich einsteige und wenn ich erfolgreich eingeparkt habe, würde ich am liebsten Konfetti schmeißen. Trotzdem befinde ich mich immer noch im Angstbewältigungsprozess, aber ich bin guter Dinge. Ich erzähle euch jetzt wie ich das angehe:
Das Stufenmodell
Am meisten würde ich mich freuen, wenn du gleich aktiv mitmachst. Möchtest du dich einer Angst stellen? Gibt es eine Angst, die deinen Alltag einschränkt? Dann nimm dir ein Blatt Papier und schreibe die Ziffern von 1 – 10 auf. Das wird deine Angstskala. Die Nummer eins markiert Situationen, in der deine Angst am geringsten und gut aushaltbar ist. Bei mir wäre eine 1 zum Beispiel das fahren einer kurzen, gewohnten Strecke, während Niki neben mir sitzt. Und dann legst du für jede Ziffer eine Situation fest, wobei die Angst jedes mal steigt. Die 10 ist, wie du schon ahnst, dein Endgegner. Ich kann mich ja kaum auf eine zehn festlegen, aber ich denke mein Worstcase Szenario wäre alleine nach Wien zu fahren und dort in einer kleinen Einbahnstraße parallel rückwärts einparken zu müssen, während hinter mir ganz viele Autos ungeduldig warten. Horror. Aber weißt du was? Ich möchte das schaffen!
Und jetzt muss ich aufhören zu schreiben weil ich bald losfahren muss. Mit dem Auto, alleine, zu einem Arzttermin, in eine Tiefgarage (Feind!). Ich würde sagen das ist schon eine 5 auf meiner Skala und ich bin mächtig stolz, dass ich mich dem stelle.
Es würde mich sehr freuen wenn du dich auch deinen Ängsten stellst. Vergiss nicht deine Erfolge zu feiern und übermäßig stolz auf dich zu sein. Belohne dich auch dafür! Wenn du magst kannst du mir gerne schreiben. Würde mich sehr freuen! Dann können wir dich beide feiern 🙂
PS: Special thanks to Niki – der mich immer wieder liebevoll motiviert mich meinen Ängsten zu stellen.
PPS: Habs überlebt!